Stallplanung und Immissionsschutz
Emissionen im Zaum halten
Wenn es eng wird zwischen Pferdestall und Wohnsiedlung sind Emissionen wie Gerüche, Staub und Schall aus der Pferdehaltung gutachterlich zu ermitteln und zu beurteilen.
Rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland betreiben regelmäßig Pferdesport.1 Nach Hochrechnungen der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung = Fédération Equestre Nationale) leben ca. 1,3 Mio. Pferde in Deutschland.2
Pferde werden zur Aufzucht, Zucht und für den (Freizeit-)Sport gehalten. Die Unterbringung von Pferden findet sowohl in Pensionsställen als auch in privater Pferdehaltung statt. Pensionsstallbetreiber sind häufig Landwirte, die sich zusätzlich zu der Nutztierhaltung und/oder dem Ackerbau ein weiteres Standbein geschaffen haben, oder gewerbliche Betriebe, die den Zukauf von Futter und Einstreu von Landwirten vor Ort beziehen. Auch die private Pferdehaltung ist im ländlichen Raum, aber auch am Stadtrand, weit verbreitet, denn viele Pferdebesitzer streben danach, sich den Traum der eigenen Pferdehaltung am oder in der Nähe ihres Hauses zu erfüllen. Planungen für Pferdeställe werden meist auf bestehenden Hofstellen, ehemals zur Haltung von anderen Tierarten (Rinder oder Schweinen etc.) oder auf der „grünen Wiese“ umgesetzt. Beide Planungen bedürfen einer baurechtlichen Genehmigung, entweder zur Umnutzung von Gebäuden oder für den Neubau.
Doch wenn es „eng“ wird zwischen Pferdestall und Wohnsiedlung, kann es schwierig werden. Wer einen Pferdestall im Umfeld von Wohnnutzungen plant, muss damit rechnen, dass er im Bauantragsverfahren Auflagen zur Beibringung von Gutachten zur immissionsschutzrechtlichen Bewertung der geplanten Pferdehaltung erhält. Dann ist darzulegen, mit welchen Immissionen benachbarter Wohnnutzungen, hervorgerufen durch die Pferdehaltung, zu rechnen ist. Beurteilungsrelevante Emissionen aus der Pferdehaltung und dem Pferdesport stellen Geruchs- und Staubemissionen sowie Schallemissionen dar. Weniger Bedeutung wird der Thematik Ammoniakemissionen durch Pferdehaltung beigemessen, es sei denn die Pferdehaltung soll mit einer hohen Pferdeanzahl in der unmittelbaren Nähe von europäischen Schutzgebieten (sog. Flora-Fauna-Habitat- Gebiete) realisiert werden.
Nicht nur in Ballungsgebieten, wo unbebaute Fläche mit ausreichendem Abstand zu Wohnnutzungen knapp ist, sondern auch in ehemaligen Dorfgebieten, die sich zu Wohn- und Mischgebieten entwickelt haben, ist die gutachterliche Bewertung und Beurteilung von Emissionen und Immissionen durch Pferdehaltung relevant. Auch das Heranrücken von Wohnnutzungen an bereits langjährig bestehende Betriebe stellt zunehmend ein Problem für die Weiterentwicklung von Pferdehaltungen dar. Die zuständigen Behörden entscheiden im Einzelfall, ob durch die Planung oder Erweiterung einer Pferdehaltung ein Konfliktpotential zwischen Tierhaltung und Wohnen bzw. anderer sensibler Nutzungen (Kindergarten, Krankenhaus o. ä.) gegeben ist. Zunächst stellt der Abstand zwischen Pferdehaltung und Wohnen ein maßgebliches Kriterium zur Verträglichkeit der beiden Nutzungen dar. Geplante Pferdebetriebe im Außenbereich haben ohne unmittelbare Nachbarn normalerweise keine Angriffsfläche für immissionsschutzrechtliche Konflikte. Erst wenn es „enger wird“ zwischen Pferd und Mensch, ist zu prüfen, ob durch die o. g. pferdetypischen Immissionen (Geruch, Staub und Schall) die Richtwerte der geltenden Regelwerke eingehalten werden. Ein pauschales Kriterium zur Entscheidungsfindung, wie viele Pferde in welcher Entfernung zur Nachbarschaft ohne weitere gutachterliche überprüfung der zu erwartenden Emissionen und Immissionen gehalten werden können, gibt es jedoch nicht.
Zur überprüfung der Verträglichkeit bzw. Zulässigkeit des geplanten Bauoder Umbauvorhabens werden Immissionsschutzgutachten erarbeitet. über anerkannte Ausbreitungsrechnungsmodelle werden die Immissionen am beurteilungsrelevanten Ort (z. B. benachbarte Wohnhäuser) ermittelt. In die Rechenmodelle für luftgetragene Stoffe (hier Geruch und Staub) fließen tierartspezifische Emissionen (Pferde, Festmistlager, Ausläufe etc.), lokale Windverhältnisse und topographische Bedingungen u.a. ein. In der Schallausbreitungsrechnung werden typische Geräusche von Pferde- und Reitbetrieben, wie z.B. Boxenschlagen während der Fütterungszeiten, Rangiergeräusche von Hofradladern, Anlagenverkehr und das Kommandogeben während des Reitunterrichts zur Ermittlung der Schallimmissionen am beurteilungsrelevanten Ort berücksichtigt. Die Geruchsimmissions- Richtline (GIRL) des jeweiligen Bundeslandes stellt das einschlägige Regelwerk hinsichtlich der Bewertung dar, ob die Geruchsimmissionen durch die Pferdehaltung am beurteilungsrelevanten Ort (z. B. Wohnhaus) zulässig sind. Für die Bewertung der Schall- und Staubimmissionen sind die TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen den Lärm) und die TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) heranzuziehen.
Hedonik Pferd
Aber Pferde stinken doch nicht! - wird manch einer denken. Die Wahrnehmung von Gerüchen (Hedonik) ist jedoch subjektiv. Was für den einen als angenehm riechend empfunden wird, wird von anderen als unangenehm wahrgenommen. Hierbei spielt die sozioökonomische Situation des Riechenden eine große Rolle. Wenn es sich um einen Reiter handelt, empfindet dieser den Pferdegeruch wohlriechend, während der in der Stadt lebenden Mensch ohne regelmäßigen Tierkontakt Pferdegeruch oft weniger angenehm oder gar unangenehm empfindet. Bei der Betrachtung anderer Tierarten wird z. B. Schweine- oder Geflügelstallgeruch hedonisch unangenehmer als der Geruch aus Milchviehställen empfunden. Der Hedonikfaktor fließt in die Ausbreitungsrechnungen für Gerüche ein und wird entsprechend der zu bewertenden Tierart gewichtet. Studien haben jüngst nachgewiesen, dass der Pferdestallgeruch (ohne Mistlager) im Vergleich zu den Gerüchen aus Mastbullen- und Milchviehställen eine deutlich höhere Korrelation zum Duftprofil und eine deutlich geringere Korrelation zum Gestankprofil aufweist. Das ist bedingt durch die Haltungsform, wie tägliches Entmisten, gute Durchlüftung des Stalls und die Art des Futters. Durch diese Untersuchungsergebnisse wurde im Zuge der überarbeitung der GIRL beschlossen, für die Tierart Pferde (ohne Mistlager) den tierartspezifischen Gewichtungsfaktor von 0,5 aufzunehmen.3 Im Vergleich zu anderen Tierhaltungen (z. B. Geflügelmastanlagen mit einem Gewichtungsfaktor von 1,5 oder Legehennenhaltungen mit einem Gewichtungsfaktor von 1,0) ergibt sich damit eine deutliche Besserstellung für die Tierart Pferd.
Die GIRL liegt noch nicht in der überarbeiteten Fassung vor. Ohnehin ist es Ländersache, ob der Hedonikfaktor für Pferdehaltungen anerkannt wird oder nicht. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg findet er bereits Anwendung.
Anforderungen an Pferdehaltung
Bei der gutachterlichen Bewertung von Emissionen aus Pferdehaltungen ist Sachverstand für diese Tierart gefragt. In den Ausbreitungsrechnungsprogrammen für die Prognose von Immissionen wird die Art der Haltung möglichst genau modelliert. Es werden u. a. Stallgebäude mit Öffnungen wie Fenster und Tore nachgebildet. Zur Emissions- und Immissionsminderung sind in Ausbreitungsrechnungen regelmäßig Kamineffekte von Vorteil. Die Entlüftung von komplett geschlossenen Ställen in der Schweinehaltung ist übliche Praxis, so dass der für das Ausbreitungsverhalten von Emissionen positive Kamineffekt genutzt werden kann. In der Pferdehaltung kann die Lösung einer Immissionsminderung jedoch nicht durch die Planung von Abluftkaminen erfolgen. Ein geschlossener Stall mit Unterdruckprinzip zur Ableitung der Stallluft über Kamine stellt für Pferde in keinster Weise eine geeignete Haltungsform dar. Dagegen spricht der Bedarf der Pferde an offenen, gut durchlüfteten Ställen, bestenfalls mit Auslaufhaltung, die für die Gesunderhaltung zwingend erforderlich ist.
Auch die Pferdeausläufe werden immissionsprognostisch bewertet. Sie stellen mitunter relativ große emittierende Flächen hinsichtlich Geruchsemissionen dar. Doch es ist gutachterlich darauf zu achten, dass diese nicht als Emissionsquellen überschätzt werden. So ist es sachgerecht, die Ausläufe in Funktionsbereiche (Fressplätze, Laufen, Wälzen etc.) aufzuteilen und somit die tatsächlich emittierenden Flächen entsprechend ihrer Größe anzupassen. So ist im Bereich der Futterraufen üblicherweise mit einem größeren Dungabsatz zu rechnen, als in weitläufigeren Bereichen des Auslaufs, da sich die Tiere bei den Heuraufen längere Zeit aufhalten als in anderen Bereichen.
Selbst das Management der Pferdehaltung kann einen positiven Effekt haben. Das regelmäßige Abmisten von Ausläufen sollte gegenüber einer Auslaufhaltung mit längerem Dungverbleib Berücksichtigung finden, um Emissionen sachgerecht zu beurteilten. Hinsichtlich der Staubemissionen von Sandreitplätzen können emissionsmindernde Maßnahmen z.B. das Anlegen von Hecken in Hauptwindrichtung der zu schützenden Wohnnutzungen (Immissionsorte) sein oder auch Managementmaßnahmen, wie das Bewässern des Sandbodens. Weitere Möglichkeiten zur Minderung von Staub durch Reitplätze und Ausläufe stellen staubarme Bodenmaterialen dar, wie z. B. ein Sand-Holzhackschnitzel- Gemisch. Auch Schallemissionen von Pferdebetrieben können gemindert werden. Hier spielt auch die Ausführung der Boxentrennwände eine Rolle. Werden diese z. B. mit innen befestigten Gummimatten ausgestattet, wird der Lärm durch das Schlagen der Pferde gegen die Trennwände deutlich reduziert. Der Reitunterricht auf Reitplätzen in unmittelbarer Nachbarschaft zur sensiblen Nutzungen stellt ebenfalls eine Schallquelle dar. Das dauernde Rufen beim Kommandogeben des Reitlehrers kann auf eine Sprech-Lautstärke reduziert werden, indem sog. Coach- Phones genutzt werden. Reitlehrer und Schüler sind mit einem Funkgerät an Mund und Ohr verbunden, so dass der Reitlehrer nur noch sprechen statt rufen muss, um gehört zu werden.
Wohnen mit Pferd
In der städtebaulichen Planung von Gemeinden und Städten werden Bebauungspläne (B-Pläne) als Instrument zur Steuerung von unterschiedlichen Nutzungsgebieten aufgestellt. Diese dienen der Ausweisung von definierten Gebieten, wie allgemeine Wohngebiete oder Gewerbegebiete, gemäß Baunutzungsverordnung (BauNVO). In diesen Gebieten sind ausschließlich die gemäß B-Plan definierten Nutzungen zulässig. Mittels B-Planvorhaben ist es möglich, ein Sondergebiet (SO) nach § 11 BauNVO für Pferdehaltung und/oder Pferdesport auszuweisen. Diese städtebauliche Steuerung hat sich bereits als praktikables Mittel der Konfliktvermeidung zwischen Pferdehaltung und Wohngebieten bewährt. Beispielweise in Fällen, in denen sich ehemalige Dorfgebiete zu Wohngebieten entwickelt haben und in unmittelbarer Nachbarschaft gewerbliche Pferdehaltung stattfindet. Auch für die geplante Entwicklung von Wohngebieten in Nachbarschaft zu historisch gewachsenen Pferdehaltungen stellt die Ausweisung von Sondergebieten für die Pferdehaltung eine Möglichkeit zur Steuerung und Konfliktvermeidung dar. Neuerdings planen Gemeinden und Städten auch Sondergebiete für das Wohnen mit eigener Hobbypferdehaltung, so dass das „Wohnen mit Pferd“ ermöglicht wird. Hierbei werden Gebiete ausgewiesen, in denen die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den eigenen und benachbarten Pferdeställen herabgesetzt bzw. definiert wird. Im Grundsatz muss jedoch stets das gesunde Wohnen ermöglicht werden, so dass auch an den Wohnnutzungen im Sondergebiet mit eigener Pferdehaltung Immissionsrichtwerte z. B. für Gerüche und Schall einzuhalten sind. Diese Richtwerte sind jedoch deutlich höher als die strengeren Richtwerte für Wohn- oder Dorfgebiete der geltenden o .g. Regelwerke.
Fazit
Wer eine Pferdehaltung plant oder Konflikte durch seine Pferdehaltung mit der Nachbarschaft zu bewältigen hat, sollte sich von entsprechenden Fachgutachtern zum Thema Immissionsschutz in Verbindung mit den besonderen Anforderungsprofilen an die Pferdehaltung und den Pferdesport gut beraten lassen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, das Nebeneinander von Pferd und Mensch immissionsschutzrechtlich verträglich zu gestalten.
Kontakt
SFI – Sachverständige für Immissionsschutz GmbH
Telefon: 030 22505471-0
E-Mail: post@sfimm.de
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3 Erstellung von Polaritätenprofilen für das Konzept Gestank und Duft für die Tierarten Mastbullen, Pferde und Milchvieh (Juni 2017): Bayrisches Landesamt für Umwelt