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Immissionsschutz für die Tierhaltung

Mit wachsenden Genehmigungsanforderungen wachsen

Betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten werden durch die heutigen Genehmigungsanforderungen erschwert und vor allem kostenintensiver. Davon sind nicht nur bauwillige Landwirte betroffen, auch Betreiber von bestehenden Stallanlagen stellen sich die Frage „Wie geht es weiter?“

Wer einen Betrieb mit Tierhaltung führt oder diesen plant, sieht sich mit schnell ändernden Anforderungen zum Schutz und Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen konfrontiert. Sie führen einerseits zu neuen oder weitergehenden Verschärfungen der Beurteilung von Umweltwirkungen. Zum anderen sind sie gekennzeichnet durch den sich ändernden Stand der Technik und strengere Regeln für seine Umsetzung. Die Folge sind eingeschränkte oder geänderte Entwicklungsmöglichkeiten und die Erhöhung der betrieblichen Kosten.

Noch vor einigen Jahren beschränkte sich die Umweltverträglichkeitsprüfung für luftgetragene Schadstoffe im Wesentlichen auf die Beurteilung der Geruchsimmissionen durch einfache Abstandsregelungen oder umfangreichere Ausbreitungsberechnungen. Heute sind diese Berechnungsverfahren vereinheitlicht, aber komplexer geworden. Diesbezüglich haben zum Beispiel die Beurteilung von Ammoniakkonzentrationen, Stickstoffdepositionen, Bioaerosolimmissionen und Fragen der Verträglichkeit in Natura 2000-Gebieten (Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebiete) deutlich an Bedeutung gewonnen. Zudem wird der Einsatz von Abluftreinigungsanlagen auf Grund wachsender Vorsorgeanforderungen im Zusammen hang mit dem Stand der Technik diskutiert.

Auswirkungen auf die Agrarstruktur

Die Vorbereitung und Durchführung von Genehmigungsverfahren sind heute vielschichtiger, aufwändiger, aber auch unsicherer. Als Folge des Missverhältnisses von Regelungswillen und wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. über Emissionsströme, Ausbreitungsverhalten und Dosis-Wirkungs-Beziehungen) kommt es häufig zu juristischen Bewertungen, die sich von naturwissenschaftlichen Grundsätzen weit entfernen. Damit verbunden sind nachteilige Wirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten von tierhaltenden Betrieben.

Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit lassen die Schlussfolgerung zu, dass es auch zukünftig nicht wieder mehr Planungssicherheit geben wird. Es zeigt sich, dass sobald Beurteilungsunsicherheiten (wie zur Beurteilung von Geruchsimmissionen) beseitigt sind, neue Unsicherheiten geschaffen werden. Beurteilungs-, Investitions- und Betriebskosten steigen. So hören bauwillige Landwirte zu Recht immer öfter: „Wenn Sie sich entwickeln wollen, warten Sie nicht länger.“ Aber auch wer genehmigungskonform Altanlagen betreibt, muss mit Aufforderungen zur technischen Anpassung oder Nachweisführungen zu den Umweltwirkungen der Anlage rechnen. Es gibt bisher keine Rechtsgrundlage für einen uneingeschränkten Bestandsschutz, so dass mit steigendem Vorsorgeanspruch nachträgliche Anordnungen (§ 17 BImSchG) einhergehen. Rechtsänderungen fordern immer auch eine fristgemäße Anpassung der Altanlagen an den weiterentwickelten Stand der Technik. So haben bereits zwei Bundesländer (NRW und Niedersachsen) Abluftreinigungsanlagen zum Stand der Technik erklärt („Filtererlass“) und haben begonnen, nachträgliche Anordnungen zum Einbau von Abluftreinigungsanlagen in bestehenden Anlagen zu verfügen (Abb. 1).

Die Abluftreinigung zur Geruchs-, Ammoniak- und Staubminderung in der Schweinehaltung wurde in den beiden o. g. Bundesländern im Alleingang zum Stand der Technik erklärt. Dieses uneinheitliche Vorgehen innerhalb Deutschlands ist unverständlich.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass Abluftreinigungsanlagen in den im kommenden Jahr erwarteten überarbeiteten BVT-Merkblättern (Beste Verfügbare Techniken) Eingang finden.

Veränderungen als Chance sehen

Die Regelungen der Vorsorgeanforderungen und deren Umsetzung werden dabei von den Betreibern und Bauherrn oft nicht als Rechtssicherheit schaffendes Instrument empfunden, sondern als Instrument der Beschneidung von Entwicklungsmöglichkeiten und der ungerechtfertigten Verdrängung. Auch Genehmigungs- und überwachungsbehörden sehen regelmäßig keinen hinreichenden Beurteilungsspielraum für Härtefälle, der sich mit der Erlasslage in übereinstimmung bringen ließe. Aber in jedem Fall ist der Grundsatz zu beachten, dass die Weiterentwicklung von Rechtsvorschriften nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Betriebes oder seiner Aufgabe führen dürfen.

Der Anlass einer behördlich geforderten Herstellung des Standes der Technik sollte immer auch Anlass sein, die Machbarkeit von Anlagenänderungen zu prüfen. Tatsächlich setzen behördliche Auflagen zur Abluftreinigung oder zur Abdeckung von Behältern in vielen Fällen Impulse zum überdenken der bisherigen Anlagenkonzepte. Wenn bei geeigneten Standorten nachweislich zulässige Immissionswerte nicht überschritten werden, kommt eine entsprechende Kapazitätserweiterung in Betracht. Wenn Behälter abgedeckt werden müssen, sollte geprüft werden, ob diese – wenn die Rahmenbedingungen stimmen – gasdicht als Bestandteil einer Biogasanlage ausgeführt werden sollten.

Nachträgliche Anordnungen für Altanlagen

Fakt ist, dass die wachsenden Schutzund Vorsorgeanforderungen zu einer Beschleunigung des Strukturwandels führen. Die Anpassungskosten lassen sich leichter durch betriebswirtschaftlich gesunde Betriebe tragen, die über entsprechende bauliche Voraussetzungen und ggf. Erweiterungsflächen verfügen.

Gemäß dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen (IED) gelten seit 2013 für Intensivtierhaltungen mit

  • 40.000 oder mehr Hennenplätzen,
  • 40.000 oder mehr Junghennenplätzen,
  • 40.000 oder mehr Mastgeflügelplätzen,
  • 40.000 oder mehr Putenmastplätzen,
  • 2.000 oder mehr Mastschweineplätzen
  • 750 oder mehr Sauenplätzen

zusätzlich strengere Vorschriften zur Häufigkeit und Dokumentation der Anlagenüberwachung, engere Grenzen und Fristen zur Umsetzung des Standes der Technik sowie ein Zwang zur öffentlichen Verbreitung anlagenbezogener Informationen (u. a. der Genehmigungsbescheid, Angaben zur Anlagenkapazität, ggf. Auflagen und Fristen zur Umsetzung) via Internet. Anders als die vorangegangene IVU-Richtlinie (IVU = Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) verlangt die IED-Richtlinie nicht nur die Berücksichtigung der Beste Verfügbare Techniken (BVT), sondern deren verbindliche Einhaltung, spätestens vier Jahre nachdem die BVT-Merkblätter im EUAmtsblatt veröffentlicht wurden. Das bedeutet für viele Betreiber von Altanlagen, dass sie künftig mit nachträglichen Anordnungen zu rechnen haben.

Unsicherheiten im Genehmigungsverfahren

Die stetigen Bemühungen ein gewisses Restrisiko vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Genehmigungsverfahren durch (z.T. länderspezifisch) definierte Beurteilungskriterien auszuräumen, führen zu einer größeren Planungsunsicherheit und folglich zu höheren Unsicherheiten im Investitions- und Betriebskostenbereich.

Charakteristisch für die Unsicherheiten in einem laufenden Genehmigungsverfahren, ist die Gefahr der überprüfung von Genehmigungsvoraussetzungen im gerichtlichen Verfahren. Gerichtliche Entscheidungen führen teilweise zu einem deutlich geänderten Verwaltungshandeln. Hierbei werden Sachfragen zu Rechtsfragen - die Urteile und Beschlüsse erlauben nicht immer einen naturwissenschaftlich- sachbezogenen Zugang. Ein Beispiel dafür ist die Beurteilung von Stickstoffbelastungen in Flora- Fauna-Habitat (FFH)-Gebieten. Durch gerichtliche Entscheidungen wurde statt der bis dahin üblichen Verbesserungsgenehmigung oder dem Unterschreiten eines N-Eintrages von 5 Kilogramm pro Hektar und Jahr, ein Bagatellschwellenwert für die Stickstoff (N)-Deposition an empfindlichen Lebensraumtypen der FFH-Gebiete von nur 0,3 Kilogramm pro Hektar und Jahr inzwischen regelmäßig festgesetzt. Gelegentlich wird auch eine Zusatzbelastung von Null gefordert, um die FFH-Verträglichkeit nachzuweisen. Ob eine Verbesserung der N-Einträge durch das beantragte Vorhaben am Lebensraumtyp erzielt wird, wird demnach nicht mehr beachtet! Somit wird durch eine gerichtliche Entscheidung, das behördliche Handeln oder das Verhalten von Naturschutzverbänden zu einem anderen Ergebnis geführt als zur Genehmigung eines Projekts, das nach tatsächlichen Berechnungen per Saldo zu einer Verminderung der Stickstoffbelastung führt. Folglich geht diese Entscheidung zu Lasten des benachbarten stickstoffempfindlichen FFH-Lebensraumtyps und der in ihm lebenden geschützten Arten, da eine Verbesserungssituation per se nicht mehr genehmigungsfähig ist.

Die Festlegung eines Bagatellschwellenwertes für den Stickstoff- Eintrag ist von größter Bedeutung, da bei überschreiten des Wertes eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Diese stellt Anlagenbetreiber und Bauherren sowie die beauftragten Biologen und Fachplaner oft vor große Herausforderungen, eine ausreichende Aussagesicherheit für das Genehmigungsverfahren zu gewinnen. Denn in der Regel fehlen lebensraum- und artenbezogene Schadensschwellen für Stickstoff- Einträge, die nur durch aufwändige Untersuchungen ermittelt werden können. Stickstoffvorbelastungen, Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit, Bodenart und Artenzusammensetzung sind dafür wichtige Kritierien. Vergleichende Standortuntersuchungen erlauben entsprechende Beurteilungen. Der zeitliche und finanzielle Aufwand aber auch Risiken für die Durchführbarkeit eines Stallbauvorhabens sollten von Beginn an abgewogen werden.

Behörden, Sachverständige, Verbände und andere Beteiligte sollten sich mehr als bisher fragen, wie Umweltverträglichkeitsuntersuchungen auf ein naturwissenschaftlich begründetes Maß sinnvoll begrenzt werden können und wie Vorsorgeinstrumente so eingesetzt werden, dass sie betriebliche Entwicklungen nicht stoppen, sondern so begleiten, dass an deren Ende eine Entschärfung von Immissionsschutzkonflikten steht.

Für Anlagenbetreiber und Bauherren gilt, den sich verändernden Stand der Technik als Chance zu verstehen, und Potenziale der betrieblichen Entwicklung auszuloten und zu nutzen.

Kontakt

SFI – Sachverständige für Immissionsschutz GmbH, Berlin
Telefon: 030 22 50 54 71 - 0
E-Mail: post@sfimm.de

Abb. 1: Zweistufige Abluftreinigungsanlage mit Biowurzelholz

Abb. 2: Rohbau Schweinezuchtanlage