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Geplante Novellierung der Ta Luft

Wachsende Anforderungen und Kosten für Tierhalter?

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) plant, die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft)1 zu novellieren. Sie stellt eine der wichtigsten Genehmigungsgrundlagen für mehr als 50.000 nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftige Anlagen in Deutschland dar, darunter viele Tierhaltungsanlagen. Sie kann aber auch zur Beurteilung der Einwirkung von Luftschadstoffen für Anlagen herangezogen werden, die nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftig sind.

Als wichtigster Anpassungsgrund wird die Weiterentwicklung des Standes der Technik genannt. Ein Hauptaugenmerk der Novellierung besteht folglich in der Implementierung der BVT-Schlussfolgerungen (d.h. europäische branchenspezifische Vorgaben für beste verfügbare Techniken), die sich aus der EU-Richtlinie über Industrieemissionen (IEDRichtlinie2) ableiten.

Hinzu kommen strengere Festlegungen von allgemeinen Grenzwerten (z. B. für Feinstaub). Die Geruchsimmissions- Richtlinie (GIRL3) soll eingebunden werden. Es werden neue Regelungen zur Beurteilung von Stickstoffeinträgen in FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete) und Regelungen zur Beurteilung von Bioaerosolen aufgenommen. Viele Kapitel der TA Luft wurden grundlegend überarbeitet und wichtige Begriffsbestimmungen neu gefasst.

Entwürfe zur Novellierung der TA Luft liegen in Teilen bereits vor und werden in kleinen Zirkeln mehr oder weniger heftig diskutiert. Warum nicht in einer breiteren Öffentlichkeit, von den berufsständischen Vertretungen, den Fachministerien und den Genehmigungsbehörden und überwachungsbehörden der Länder noch mehr Einfluss auf den Regelungsprozess genommen wird, verwundert.

Vor allem, weil das Ergebnis dieser Diskussionen einer der wichtigsten Legitimationsgründe für die Neuregelungen sein wird. Gleichzeitig werden aber wichtige Regelungsinhalte (z. B. N-Einträge in FFH-Gebiete und Beurteilung von Bioaerosolen) in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Auch eine einheitliche Rechtsprechung wurde in diesen Bereichen bisher nicht gefunden. Es stellt sich die Frage, ob die Novellierung der TA Luft zum Anlass genommen wird, Fachdiskussionen auf bestimmten Gebieten zu beenden und gerichtliche Entscheidungen in eine Richtung zu lenken. Das aber ist nicht Aufgabe der TA Luft. Vielmehr ist nicht nur der Stand der Technik abzubilden, sondern auch der Stand der Wissenschaft.

Lässt sich aber der Stand des Wissens in bestimmten Gebieten noch nicht sicher definieren, wäre es verfrüht, Regelungen verbindlich vorzuschreiben. Wichtiger wäre es an dieser Stelle, die Wissenschaft in diesen Bereichen zu fördern. Dies kann und muss im Zweifel auch zu Lasten einer gewünschten Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns gehen.

Einbinden der GIRL

Sieht man sich die Entwürfe der TA Luft hinsichtlich der Einbindung der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) näher an, so fällt auf, dass erwogen wird, die bisher geltenden Mindestabstandsregelungen zwischen Tierhaltungsanlagen und sensiblen Wohnnutzungen abzuschaffen. Aufwendige Ausbreitungsberechnungen sollen zum Nachweis der Umweltverträglichkeit herangezogen werden.

Gerade weil sich die Mindestabstandsregelungen der TA Luft und der einschlägigen VDI-Richtlinien seit Jahrzehnten bewährt haben, sollte ihre Ablösung dringend überdacht werden. Für kleinere Tierhaltungsanlagen an vergleichsweise günstigen Standorten bieten sie bisher die Möglichkeit, ohne hohe Gutachtenkosten Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen. Auch wenn die Entscheidung über die Anwendung der Mindestabstandsregelung im Einzelfall in die Hände der Genehmigungsverfahrensstelle gelegt werden soll, würde durch eine solche Neuregelung für die Tierhalter und die Behörden ein Anpassungsdruck zum Erreichen einer vermeintlich höheren Rechtssicherheit durch Ausbreitungsberechnungen entstehen, der fachlich kaum zu vertreten sein dürfte.

Stickstoffdepositionen in FFH-Gebieten

Geplant wird die Aufnahme von naturschutzrechtlichen Genehmigungsanforderungen hinsichtlich der Stickstoffeinträge in FFH-Gebieten. Hier wird das überschreiten von 0,3 kg/(ha x a) Stickstoffeintrag für die Zusatzbelastung der Anlage als Schwellenwert für weitergehende FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen genannt. Als Zusatzbelastung ist entsprechend neu geregelter Begriffsbestimmung die Belastung der gesamten Anlage im geänderten Zustand abzüglich der Belastung der gesamten Anlage im genehmigten Zustand zu verstehen. Für Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern, in denen derzeit eine Saldierung von NEinträgen im Vergleich von genehmigter und geänderter Anlagensituation nicht zugelassen wird, wäre das eine gute Nachricht. Gut für die Tierhalter, weil diese an Altstandorten Entwicklungsperspektiven erhalten. Und gut für FFH-Gebiete, weil Anreize entstehen, bestehende Anlagen zu sanieren und Emissionen zu mindern, anstelle neue Standorte zu entwickeln. Dennoch greift der Entwurf zu kurz. Ausnahmen sollten gestrichen werden. Mit Blick auf die Schutz- und Erhaltungsziele für FFHGebiete wäre es sinnvoll, auch Maßnahmen zur Minderung der Stickstoffeinträge in FFH-Flächen durch anlagenfremde Vorhaben als gemeinsames Projekt im Sinne der FFHRichtlinie zu verstehen.

Bewertung von Bioaerosolen

Politisch nachvollziehbar, aber wissenschaftlich nicht abschließend begründbar, sollen Grundzüge des LAILeitfadens zur Beurteilung von Bioaerosolen4 Bestandteil der TA Luft werden. Damit würde den Genehmigungsbehörden die Möglichkeit genommen, im Einzelfall einen geeigneten Untersuchungsrahmen festzulegen. Diese Möglichkeit ist aber erforderlich, um zum einen auf erwartete Änderungen des Standes des Wissens angemessen reagieren zu können und zum anderen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend im Einzelfall von überhöhten Forderungen Abstand nehmen zu können.

Auch für kleinere Tierhaltungsbetriebe, die nahe an Wohnbebauungen liegen, würden die Regelungen nicht nur die Entwicklungsmöglichkeiten beschränken. Sie sind auch geeignet, den Bestand zu gefährden. Anstatt vorschnell LAI-Vorschläge durch die Einbindung in die TA Luft zu legitimieren, sollte vielmehr Kraft und Zeit in der wissenschaftlichen Forschung über Risiken und Minderungspotenziale der Bioaerosole verwendet werden.

Beste verfügbare Techniken in der Tierhaltung

Die Merkblätter der besten verfügbaren Technik leiten sich aus der IEDRichtlinie sowie von deren Vorläufer, der IVU-Richtlinie5, ab. In Deutschland entspricht dieser Passus dem traditionell verwendeten Konzepts des Standes der Technik. Durch Implementierung der BVT-Merkblätter sowie der BVT-Schlussfolgerungen wird für Anlagenbetreiber verpflichtend, die beste verfügbare Technik zu verwenden, um nachteilige Auswirkungen durch Emissionen zu vermeiden bzw. zu vermindern.

Unklar ist jedoch, warum im Entwurf der TA-Luft-Novelle ein Stand der Technik festgeschrieben werden soll, der über die Regelungen der BVTBlätter hinausgeht. So wird für Neuanlagen der Schweinehaltung oder für entsprechende gemischte Bestände und bei Erweiterung von Anlagen um neue Stallgebäude gefordert, dass das Abgas mit Zwangslüftung zu erfassen und einer qualitätsgesicherten oder zertifizierten Abgasreinigungseinrichtung zuzuführen ist.

Es ist an dieser Stelle nicht nachvollziehbar, warum in Deutschland hinsichtlich der Abluftreinigung gegenüber europäischen Festlegungen eine andere Grundlage bestehen soll. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, warum Dunglagerstätten in Deutschland durch überdachung vor Niederschlagseinflüssen geschützt werden sollen, wenn diese nicht ausdrücklich in den BVT-Merkblättern geregelt ist.

Fazit

In der TA Luft Novelle greifen die Entwurfsverfasser auf einzelne bestehende und teilweise in der Genehmigungspraxis erprobte Richtlinien und sonstige Erkenntnisquellen zurück. Der Druck zur Vereinheitlichung ist groß und verständlich. Ihm zu schnell nachzugeben, birgt aber auch Risiken. Mit der Einbindung von neuen Regelungen in die TA Luft als allgemeine Verwaltungsvorschriften, die auf Grundlage von § 48 BImSchG erlassen wird, entfalten diese Beurteilungen eine Bindungswirkung, die weit über die bisherige Beurteilungspraxis hinausgeht und auch in gerichtliche Auseinandersetzungen hineinwirkt. Dieses hat Auswirkungen auf den Bestand, die Entwicklungsmöglichkeiten und die Kostenstruktur von tierhaltenden Betrieben. Konsequenzen bestehen aber auch für die Dauer, Komplexität und Rechtssicherheit von Genehmigungsverfahren. Bei der Novellierung der TA Luft werden hehre Ziele verfolgt. Ob es ein Regelwerk wird, dessen Bestimmungen handhabbar und fachlich ausreichend begründet sind, bleibt abzuwarten. Es hängt nicht zuletzt davon ab, ob und in welcher Weise sich die unterschiedlichsten Interessengruppen einbringen.

Kontakt

SFI – Sachverständige für Immissionsschutz GmbH, Berlin
Telefon: 030 22 50 54 71 - 0
E-Mail: post@sfimm.de

  • 1. Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes–Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. Juli 2002
  • 2. RICHTLINIE 2010/75/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)
  • 3. GIRL - Geruchsimmissions-Richtlinie, Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29. Februar 2008
  • 4. Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (Stand 31.01.2014)
  • 5. Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; kodifizierte Fassung: Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung